Karte von Gestern

Aufrufbar mit Klick auf das Bild oder hier

Straßennamen sind nicht aus dem Stadtbild wegzudenken.

Sie helfen uns Orte zu finden und geben uns Orientierung. Doch Straßen sind vielmehr als das. Indem in Ulm und Neu-Ulm – wie auch an anderen Orten – Straßen beispielsweise nach unterschiedlichen Persönlichkeiten benannt sind, sind Straßennamen auch ein Abbild dessen, wer in einer Stadt als erinnerungswürdig eingestuft wird und wurde, sowie was durch eine Benennung geehrt wird.

Die Namen von Straßen und Plätzen sagen somit auch etwas über das Selbstverständnis einer Stadt aus und dessen Umgang mit geschichtlichen Ereignissen wie der Zeit des Nationalsozialismus oder dem Kolonialismus.

In der „Karte von Gestern“ haben wir Straßen und Plätze dargestellt, deren Benennung wir hinterfragen möchten, da sie nach Personen mit Bezügen zu Kolonialismus, Rassismus oder dem NS-Regime benannt sind. 

Mit einem Klick auf das + erfahrt ihr mehr zu Straßennamen, die als kritisch einzustufen sind, ebenso wie zu den Kritieren für eine Umbenennung der Stadt Ulm.

Ausgehend von der Debatte um die Umbenennung der Heilmeyer-Steige hat die Stadt Ulm in 2018 klare Kriterien festgelegt, nach wem in Ulm Straßen benannt werden dürfen. Personen, die mit einer Straßenbenennung geehrt werden, sollen sich demnach bspw. für das Gemeinwohl, den Rechtsstaat oder für die Demokratie eingesetzt haben, ein hohes Ansehen in der Bevölkerung genießen oder auch Opfer beispielsweise nationalsozialistischen Terrors gewesen sein.

Zusätzlich wurden 2018 auch folgende Kriterien für eine Umbenennung von Straßen festgeschrieben:

  1. Innehaben einer Funktion im NS-Regime oder einem anderen Unrechtsstaat
  1. Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschheit z.B. im NS oder Kolonialismus (Mord, Deportation, Raub, Enteignung, Vorteilnahme, …)
  1. Politische Propagierung von NS-Gedankengut, Rassismus, Antisemitismus und/oder anderen menschenverachtenden Ideologien
  1. Verstrickung in Verbrechen eines Unrechtsstaats und/oder Bereicherung an den Opfern
  1. Demokratiefeindliches Verhalten nach dem Ende des NS-Regimes (Kein Umdenken, keine Distanzierung, …)
  1. Aktive Beteiligung / Hinwirken auf die Abschaffung eines demokratischen Systems

Der genaue Wortlaut ist hier nachlesbar

Otto von Bismarck (1815-1898) hatte neben weiteren politischen Ämtern das des ersten deutschen Reichskanzlers ab 1871 inne. Bismarck führte mehrere sozialpolitische Maßnahmen ein, die bis heute bestehen, wie z.B. das Krankenversicherungsgesetz.

Obwohl sich Bismarck lange gegen deutsche Kolonialerwerbungen aussprach, kam es unter seiner Amtszeit zu einer ersten aktiven deutschen Kolonialpolitik. Auf der „Kongo-Konferenz“ / „Berliner Konferenz“ 1884/85 lud Bismarck Vertreter weiterer europäischer Kolonialmächte, der USA und des Osmanischen Reiches nach Berlin ein, um über die zukünftige Kolonialpolitik zu beraten. Es waren keine Vertreter der afrikanischen Länder anwesend.

1884/85 wurden unter Bismarck Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia), Togoland (heutiges Togo), Kamerun, Kaiser-Wilhelm-Land (heutiges Nordost Papua-Neuguinea), Bismarck-Archipel (vorgelagerte Inseln Papua-Neuguineas) und Deutsch-Ostafrika (heutiges Tansania, Burundi, Ruanda) zu Schutzgebieten erklärt.

Die deutsche Kolonialpolitik führte u.a. zum ersten Völkermord im 20. Jahrhundert: dem Genozid an den Herero und Nama 1904-1908 im heutigen Namibia.

Mehrere Veröffentlichungen zeigen zudem eine antisemitische Haltung Bismarcks: In einer jüngeren Rede von 1847 sprach sich Bismarck gegen eine Beteiligung der jüdischen Bevölkerung in höheren Ämtern aus. In späteren Jahren pflegte Bismarck engen Kontakt zu dem Hofprediger Adolf Stoecker, der einen klaren antisemitischen Kurs verfolgte. 1881 wurde die „Antisemiten-Petition“ an Bismarck übergeben, die die Einschränkung der Rechte der jüdischen Bevölkerung im deutschen Kaiserreich forderte. Bismarck ignorierte das antisemitische Schreiben und ließ es öffentlich unbeantwortet.

Wiederholt reagierte Bismarck auf Antisemitismus mit Ignoranz, wie auch bei der Bitte nach Schutz des jüdischen Gerson Bleichröder, der u.a. von Stoecker antisemitisch angefeindet wurde und mit dem Bismarck bis dato Geschäfte unternahm.

Jahr der Benennung des Bismarckplatzes: 1929 (zählt zum heutigen Bismarckring)
Jahr der Benennung des Bismarckringes: 1904

Jahr der Errichtung des Bismarck-Denkmals: nicht bekannt

Kritieren, die für eine Umbenennung sprechen:

Beteiligung am Kolonialismus

Quellen

Erwin Rommel (links) und Adolf Hitler (rechts)
(Bild-Quelle: Bundesarchiv)

Erwin Rommel (1891-1944) war ein Berufsoffizier und Generalfeldmarschall, dieser militärische Rang wurde ihm von Hitler verliehen. Er unterstützte von Anfang öffentlich Hitler und dessen Politik.

„Er (Anm. d. Red.: Rommel) ist weltanschaulich gefestigt, steht uns Nationalsozialisten nicht nur nahe, sondern ist ein Nationalsozialist.“

Joseph Goebbel im Oktober 1942
(zitiert nach der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg)
Rommels Häuser in Herrlingen: Ort der Enteignung, der Zwangsunterbringung, der Zwangsarbeit und Der Deportation.

Seit 1927 gab es ein Landschulheim unter der Leitung von Anna Essinger mit dem Hauptgebäude in der Wippinger Steige 50 in Herrlingen. Ab 1932 kam ein Nebengebäude in der Wippinger Straße 13 hinzu. Nach der Machtübernahme der NSDAP verlegte Essinger ihr Landschulheim nach England, ermöglichte zahlreichen Kindern die Ausreise und bewahrte sie so vor den Verbrechen des NS-Regime. Hugo Rosenthal übernahm die Gebäude in der Wippingersteige 50 und 13 sowie 11 und nutzte sie als eine Jüdische Schule bis März 1939. Der Speisesaal diente dabei als Betsaal.

Später wurde das Gebäude als „Feindvermögen“ beschlagnahmt und von der Stadt Ulm verwaltet. Ab 1939 wurden die Gebäude zu einem jüdischen Zwangsaltersheim, Jüd*innen aus Württemberg wurden unfreiwillig nach Herrlingen umgezogen. Ab September 1939 war das Zwangsaltersheim mit 70 Menschen voll besetzt, es wurde überbesetzt und Ende 1941 mussten 93 Menschen dort wohnen. Alle der insgesamt 115 älteren jüdischen Bewohner*innen wurden deportiert, die meisten in das Ghetto Theresienstadt.

Das Gebäude in der Wippinger Steige 13 wurde nach dem Auszug der alten Menschen mit Einsatz russischer Kriegsgefangener renoviert. Ab 1942 wurde das Hauptgebäude in der Wippinger Steig 50 zu einem arischen Altersheim der Stadt Ulm. Ab 1943 bis 1945 nutzte Erwin Rommel und seine Familie die Gebäude der Wippinger Steige 11 und 13. Im Jahr 1952 wurde die Wippinger Steige in die Erwin-Rommel-Steige umbenannt.

Rommel und Kriegsverbrechen

In seiner militärischen Funktion war Rommel grundlegend beteiligt u.a. an den Feldzügen 1940 in Frankreich, ab 1941 in Nordafrika und ab 1943 in Italien. In dieser Funktion war Rommel Mitwissender und auch Mitbeteiligter an deutschen Kriegsverbrechen:

  •  zehntausende Menschen wurden zur Zwangsarbeit gezwungen, u.a. lybische Juden im Nordafrika-Feldzug.
  • Rommel legte Minenfelder, sogenannte „Teufelsgärten“, während der Leitung des Deutschen Afrikakorps an. Alleine in der Umgebung vom heutigen Neu-Alamein verlegte das Deutsche Afrikakorps circa 500.000 Minen. Viele sind bis heute nicht geräumt. Seit den achtziger Jahren starben 3300 Menschen und 7500 Verletzte an den etwa 17,5 Millionen verbliebenen Minen aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Islamische Staat nutzte in der Gegenwart mehrfach deutschen NS Sprengstoff um Angriffe zu begehen.
  • Kriegsverbrechen wie das Niederbrennen der italienischen Dörfer Boves und Castellar durch das II Bataillon der SS Division Leibesstandarte unter dem Oberkommando von Erwin Rommel.

In Italien ist Rommel eindeutiger Täter, für die Zeit seines Einsatzes mitbeteiligt am Tod von etwa 46.00 italienischen Militärinternierten oder Kriegsgefangenen, 37.000 politischen Deportierten, 16.000 italienischen Zivilisten sowie 7.400 italienischen Juden zwischen 1943 und 1945.“

Wolfgang Proske
in Täter Helfer Trittbretfahrer NS-Belastet von der Ostalb, Seite 200
Rommel und der nationalkonservative Widerstand der Militärs

In der Nachkriegszeit wurde Rommel als Mitglied des militärischen Widerstandes dargestellt und verehrt. Dies war keine eindeutige und klare Zugehörigkeit, wie unter anderem an mehreren Zitaten deutlich wird:

„Es würde aber doch ein falsches Bild entstehen, wenn nun der Feldmarschall Rommel plötzlich in der Kategorie derer erschiene, die gegen Hitler gekämpft hätten. Herr Rommel suchte als typischer Paretiteigeneral sehr spät den Anschluß und wir hatten einen sehr peinlichen Beigeschmack, als plötzlich Herr Rommel im Angesicht seiner persönlichen militärischen Katastrophe uns den Vorschlag machte wir sollten Hitler umbringen lassen, dann aber möglichst Göring und Himmler dazu.“

Hans Bernd Gisevius
Mitverschwörer, Aussage bei den Nürnbergerprozessen
(zitiert nach Wolfgang Proske)

„Ich bin nicht beteiligt am Attentat. Ich habe in meinem ganzen Leben dem Vaterland gedient.“

Laut Rommels Adjutant die letzten Worte von Rommel an seinem Sohn am 14.10.1944
(zitiert nach Wolfgang Proske)

Ich habe den Führer geliebt und ich liebe ihn noch!“

Erwin Rommel
kurz vor seinem Tod gegenüber den Generälen Burgdorf und Maisel, die ihn zum Suizid zwangen
(zitiert nach Wolfgang Proske)

Rommel hatte Kontakt zu den Verschwörern aber diesen war er zum einen suspekt und zum anderen gibt es keine Belege für eine Beteiligung an der Planung des versuchten Attentats. Rommel wurde kurz vor dem 20. Juli 1944 bei einem Luftangriff schwer verletzt. Als er aus dem Koma erwachte und vom Attentat auf Hitler hörte, äußerte er gegenüber seinem Ordonnanzoffizer jetzt endlich zu wissen, wovon dieser Hofacker (ein weiterer Verschwörer) eigentlich geredet habe.
Des Weiteren darf an einer demokratischen Überzeugung des nationalkonservativen Widerstandes durchaus gezweifelt werden. Viele der Beteiligten waren „glühende Unterstützer des NS-Staates gewesen“ und haben sich selbst in einem Entwurf für ein System nach dem Machtwechsel als Soldaten und Nationalsozialisten bezeichnet.

Von der NS-Führung wurde Rommel als Mitwisser der Widerstandskämpfer eingestuft und zum Selbstmord gezwungen. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde dargestellt Rommel sei an den Folgen seiner Verletzungen gestorben. Er wurde am 18.10.1944 mit einem Staatsbegräbnis in Ulm ein letztes Mal vom NS-Regime geehrt und zur Propaganda herangezogen.

Der Wolfgang Proske, auf dessen Arbeit sich dieser Eintrag größtenteils basiert, fasste es folgendermaßen zusammen:

„Für Rommellegenden aller Art besteht in demokratischen Rechtsstaat keinerlei Veranlassung. Konsequenzen aus dieser Einsicht wären wünschenswert.“

Wolfgang Proske
in Täter Helfer Trittbrettfahrer NS-Belastet von der Ostalb, Seite 219

Jahr der Benennung der Rommel-Steige: 1952
Jahr der Benennung der Rommel-Kaserne: unbekannt

Kritieren, die für eine Umbenennung sprechen:

Innehaben einer Funktion im NS-Regime, Beteiligung an Verbrechen, Bereicherung an Opfern

Quellen

Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) entwickelte mehrere neue chirurgische Verfahren und erlangte damit weltweite Berühmtheit. Sauerbruchs Verhalten im Nationalsozialismus muss mindestens als ambivalent eingestuft werden. Sauerbruchs Gesinnung war deutschnational, er bezeichnete den ersten Weltkrieg öffentlich als eine Notwendigkeit, meldete sich als Kriegsfreiwilliger und war in mehreren Lazaretten tätig.

Ferdinand Sauerbruch (Bild-Quelle)

Anfang der 1920er verkehrte Sauerbruch in nationalkonservativen Kreisen und traf bereits damals zum ersten Mal Adolf Hitler. Nach der NS-Machtübernahme bekannte er sich öffentlich zum NS-Regime und bewegte sich in Kreisen der Parteiführung. Der weltweitbekannte Chirurg versuchte das NS-Regime auf der internationalen Bühne zu unterstützen, in dem er beispielsweise in einem „Offenen Brief an die Ärzteschaft der Welt“ im Herbst 1933 die nationale Wiedergeburt Deutschlands lobpreiste und auch den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund unterstützte.

Sauerbruch protestierte zwar anfangs noch gegen die Euthanasie-Politik und unterstützte einige Bekannte, die vom NS-Staat verfolgt wurden. Auch operierte er weiterhin Jüdinnen und Juden. Doch dies ist eher seinem Berufsethos als Arzt als seiner politischen Gesinnung zuzuschreiben.

1937 erhielt Sauerbruch den „Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft“ und brachte in seiner Dankesrede seine Verehrung Hitlers zum Ausdruck. Im selben Jahr wurde Sauerbruch Fachspartenleiter im Reichsforschungsrat, er genehmigte  und begutachtete dabei verschiedene Forschungsprojekte.

Spätestens ab Anfang 1943 war Sauerbruch nachweislich darüber informiert, dass im Rahmen dieser Forschungsprojekte auch Menschenversuche in Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagern durchgeführt wurden. Sauerbruch widersprach diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht, sondern beteiligte sich beispielsweise bei einer Tagung 1943 an einer Diskussion zu einem Vortrag über die Sulfonamidforschung des SS-Arztes Karl Gebhardt.

Der Chirurg war scheinbar über die Umsturzpläne im Zuge des Attentats vom 20. Juli 1944 informiert und wurde der Mitverschwörung verdächtigt, konnte seine Stelle jedoch bis zum Kriegsende bewahren.

In der Nachkriegszeit wurde Sauerbruch sowohl in der DDR als auch in der BRD als vorbildlicher Arzt verehrt.

Jahr der Benennung: 1991

Kriterium der Stadt Ulm für eine Umbenennung:

Funktionsträger des NS-Regimes, Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Umbenennung in anderen Städten:

In Hannover hat 2018 ein Beirat die Umbenennung des Sauerbruchwegs empfohlen, sie wurde nicht umgesetzt. Es gibt Debatten über eine Umbenennung in Berlin.

Quellen

Hermann Stehr (1864-1940) war bis 1913 Volksschullehrer, danach war er freier Schriftsteller. Während der Gründungsphase der Weimarer Republik hielt er Wahlreden für die Deutsche Demokratische Partei (DDP), von der er sich zunehmend abwandte. Ab 1930/31 findet sich bei Stehr eine politische Wandlung, die sich auch in der Zuwendung national-konservativer rechter Dichterkreise zeigte.

Stehr wurde im Nationalsozialismus mehrfach hochgeehrt und mit Preisen ausgezeichnet, wie z.B. 1933 der Goethe-Preis, 1934 die Ehrendoktorwürde der Universität Breslau, 1934 der Adlerschild des Deutschen Reiches. Ab 1934 gab es zudem Hermann-Stehr-Feiern. In der Rede zur Verleihung des Adlerschildes des Deutsches Reiches wurde Stehr als Wegbereiter für den Nationalsozialismus gekürt.

1935 wurde Stehr zum Reichskultursenator ernannt, wozu ihm Goebbels persönlich gratulierte.

Jahr der Benennung: 1954

Kriterium der Stadt Ulm für eine Umbenennung:

Funktionsträger des NS-Regimes

Umbenennung in anderen Städten:

In Münster empfahl 2011 eine Straßennamen-Kommission einstimmig die Umbenennung einer nach Stehr benannten Straße. 2012 sprach sich die Bezirksvertretung Ost dagegen aus.
In Ratingen erfolgte nach einem Beschluss von 2012 eine Umbenennung.
In Steinfurt wurde eine Stehrstraße 2013 umbenannt.
In Dortmund hat 2014 das Stadtarchiv eine Umbenennung empfohlen.

Quellen

Paul von Hindenburg (1847-1934) war ein deutscher General und Politiker.

Hindenburg (links) mit Hitler (Bild-Quelle: Bundesarchiv)

Unter seinem Oberbefehl wurde bspw. die 2. russische Armee 1915 geschlagen, was ihm den Mythos des Siegers von Tannenberg einbrachte. Er wurde 1916 gemeinsam mit Ludendorf zur Obersten Heeresleitung ernannt. Obwohl die Oberste Heeresleitung Mitte 1918 die Aushandlung eines Waffenstillstands forderte und Hindenburg im November zur Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages drängte, propagiert er im Nachhinein, dass die Politik dem Heer in den Rücken gefallen und dadurch am Zusammenbruch des Reiches maßgeblich schuld sei. Er trug damit wesentlich zur Verbreitung der „Dolchstoßlegende“ bei, die die Etablierung der Weimarer Republik von Anfang an erschwerte.

Von 1925 bin zu seinem Tode 1934 war Hindenburg Reichspräsident. U.a. durch seine Notstandsverordnungen und die Einberufung von Präsidialkabinetten („Hindenburgregierungen“), die notfalls ohne parlamentarische Mehrheiten regieren konnten, entmachtete Hindenburg das Parlament. Er trug dadurch zu einer Zersetzung der Weimarer Verfassung bei  und ebnete den Weg in die NS-Diktatur.

Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg schließlich Hitler zum Reichskanzler.

Auf Grund seiner  Rolle bei der Errichtung des NS-Regimes wurden bereits in mehreren deutschen Städten nach Hindenburg benannte Straßen und Plätze umbenannt.

Jahr der Benennung des Hinderburgrings in Ulm: 1927
(Zum Jahr der Benennung der Hindenburgstr. in Neu-Ulm liegen uns keine Infos vor)

Kriterium der Stadt Ulm für eine Umbenennung:

Aktive Beteiligung bei der Abschaffung eines demokratischen Systems / Funktionsträger im NS-Regime

Umbenennung in anderen Städten:

U.a. wurde 2012 der Hindenburgplatz in Münster und 2020 die Hindenburgstraße in Freiburg umbenannt.

In mehreren anderen Orten ist eine Umbenennung beschlossen worden, z.B. 2019 in Darmstadt, 2020 in Trier und 2021 in Hannover.

Quellen

Hinweis: Im folgenden Text schreiben wir über den Begriff „Mohr“. Dieser ist rassistisch und kolonialistisch geprägt, deswegen kürzen wir ihn mit M. ab. Zitate haben wir unverändert aus den jeweiligen Ursprungstexten übernommen.

Hinweis II: – Uns wurde mitgeteilt, dass der M.-Saal im Haus der Gewerkschaften 2005 umbenannt wurde. Fakt ist, dass bis heute der Saal so bezeichnet wird, auch in der Öffentlichkeit, was wir auf in der Quellen Sammlung belegen.

2020 kam es zu einer Debatte um drei Orte in der Ulmer Innenstadt:
Die M.-gasse, die M.-apotheke und das Café M.-köpfle. Bisher nicht Teil der öffentlichen Debatte sind der M.-saal im Haus der Gewerkschaften und der Aussichtspunkt M.-köpfle in Herrlingen.

Gasse in Ulm
Café in Ulm
Apotheke in Ulm
Aussichtspunkt in Herrlingen

Seit Jahrzehnten äußern Schwarze Menschen in Deutschland wiederholt ihre Kritik an dem Begriff M. Der Begriff ist historisch gesehen oft negativ besetzt, war und ist immer eine Fremdbezeichnung gewesen und zudem insbesondere im 18. bis 20. Jahrhundert kolonialistisch und rassistisch geprägt. Statt die bereits seit Jahrzehnten geäußerten Argumente hier zu wiederholen werden im folgenden Zitate von Wissenschaftler*innen wie Susan Arndt oder Vivann Moana Wilmott, Gruppen wie der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland oder ihrem Mitglied Tahir Della sowie lokale Stimmen wie von Friedrich Herrvé Lien Mbep vom Afrodeutschen Forum Neu-Ulm und der Lokalpolitiker*in Clarrisa Teuber dargestellt:

„>M.< ist die älteste deutsche Bezeichnung, mit der Weiße Schwarze Menschen als anders konstruiert haben. Der Begriff wurde aus anderen europäischen Kontexten übersetzt, und geht etymologisch sowohl zurück auf das griechische moros, das >töricht<, >einfältig<, >dumm< und auch >gottlos< bedeutet, als auch auf lateinische maurus, welches für >schwarz<, >dunkel< bzw. > afrikanisch< steht. Daraus wurde althochdeutsch mor und schließlich >M.< abgeleitet.“

Arndt & Hamann, 2021

„Zudem stellt das M-Wort den Vorreiter des Begriffs „Neger“ dar. Mit diesen Begriffen sind eine Vielzahl von rassistischen und eurozentristischen Stereotypen verbunden. Sie wurden auch als Grundlage genommen, Schwarze Menschen als „minderwertige Rasse“ im zweiten Weltkrieg zu verfolgen und zu ermorden.“

Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland 2012

„Man muss sich den Begriff mal angucken. Es wird immer gesagt, dass dieser Begriff ursprünglich für Mauren stand und eben nicht diskriminierend ist. Tatsächlich ist es aber so, dass der Begriff aus dem Griechischen und Lateinischen kommt und auszulegen ist mit „dumm“, „töricht“ und „einfältig“ für schwarze Menschen. Selbst wenn das zu irgendeinem Zeitpunkt so war, dass der Begriff nicht problematisch war – und das stelle ich ganz stark in Frage – dann bleibt trotzdem die Tatsache: Schwarze Menschen fühlen sich von diesem Begriff diskriminiert. Es ist eine Fremdbezeichnung, es war zu keinem Zeitpunkt eine Selbstbezeichnung von schwarzen Menschen oder Menschen afrikanischer Herkunft. In Deutschland sind wir immer noch in einer Art Beweisaufnahme, was denn eigentlich rassistisch ist.“

Tahir Della 2018

„Wie die Etymologie des M-Wortes zeigt, ist das Wort als Fremdbezeichnung aus einer weißen historisch dominanten Position heraus geprägt. Es diente dabei stets der Beschreibung von und Abgrenzung zu Gruppen von Menschen, die aus dieser Position heraus als nicht-zugehörig, anders, fremd wahrgenommen wurden – seien es die muslimischen Eroberer der iberischen Halbinsel, Bewohner*innen der nicht-westlichen Welt oder Schwarze Menschen in Deutschland. Schwarze Selbstorganisationen, Aktivist*innen wie auch viele Wissenschaftler*innen sind sich einig in der Tatsache, dass das M-Wort heutzutage hauptsächlich negative Assoziationen weckt.“ 

Vivann Moana Wilmott 2020

Das Wort Mohr überscheitet die Grenzlinie (…) Keiner würde sich selbst als Mohr bezeichnen.“

Friedrich Herrvé Lien Mbep 2020

„Mohr ist einfach negativ konnotiert.“

Clarrisa Teuber 2020

Nach der öffentichen Debatte 2020 in Ulm entschied sich die Stadt Ulm im Ältestenrat gegen eine Umbenennung und für die Anbringung einer Tafel an der M-gasse in Ulm.

Der Text der Stadt Ulm ist in sich widersprüchlich. Zum einen wird anerkannt, dass M. eine rassistisch belastete Fremdbezeichnung ist, zum anderen wird aber behauptet, eine Herabwürdigung liege in Ulm nicht vor. Das wird begründet mit einer vermuteten aber unbelegten historischen Herkunft auf den Heiligen Maurus.

Das Beispiel Ulm macht Schule: die Fraktionen der AfD und FDP im Gemeinderat Mannheim beziehen sich auf die Entscheidung der Stadt Ulm als Argument gegen eine Umbenennung von drei Straßen, die nach den Kolonialverbrechern Theodor Leutwein, Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal benannt sind.

Der Argumentation der Stadt Ulm steht im Hier und Jetzt jahrzehntelange, kritische Sprachforschung, und die wiederholte Ablehnung des Begriffes und Aufforderungen nach Umbenennungen von Schwarzen Menschen gegenüber :

„Wir sind leider noch nicht an dem Punkt, an dem es gesellschaftlicher Konsens ist, dass „Mohr“ ein diskriminierender Begriff ist, der nicht ins heutige Straßenbild gehört. Dann kommen immer diese Argumente, das sei vor 200 Jahren noch nicht diskriminierend gewesen. Das bringt uns nicht weiter, zeigt aber, dass die Mehrheitsgesellschaft noch nicht bereit ist, sich mit Rassismus wirklich tiefergehend auseinanderzusetzen. Die Angst, etwas zu verlieren, was immer das auch sein mag, scheint größer zu sein, als wir uns vorstellen können. Dabei gäbe es meiner Ansicht nach etwas zu gewinnen, nämlich eine diskriminierungsfreie Gesellschaft.“

Tahir Della 2020

Jahr der Benennung der M. Gasse: 1869

Kriterium der Stadt Ulm für eine Umbenennung:

Propagierung von Rassismus

Umbenennung in anderen Städten:

Umbenennung von Straßen in anderen Städten: 2021 Berlin

Umbenennung von Apotheken: 2020 Kiel, 2020 zwei in München, Bonn seit 2020 schrittweiße geplant, 2020 Wien, 2021 Beul

Quellen

Eugen Theodor Nübling (1856-1946) war ein lokaler Historiker, Politiker, Publizist und offener Antisemit.

Mit 22 Jahren übernahm Nübling die bis dahin liberal ausgerichtete „Ulmer Schnellpost“ seines Vaters. 1884 übernahm er die Schriftleitung. Gemeinsam mit dem ab 1890 neu eingestellten Redakteur Hans Kleemann veröffentlichte Nübling antisemitische, antikatholische und chauvinistische Inhalte.

Ab 1891 galt die „Ulmer Schnellpost“ als offizielles Organ der „Deutsch-sozialen antisemitischen Partei in Württemberg“. 1893 kandidierte Nübling innerhalb der anstehenden Reichstagswahlen für diese Partei.

Im Zuge der antisemitischen Propaganda ging die „Ulmer Schnellpost“ mit den Folgejahren zugrunde. 1891 entzogen Ulmer Stadträte der Zeitung den Namen „Städtisches Amtsblatt“. 1899 folgte der Entzug städtischer Annoncen. 1903 verpachtete Nübling die „Ulmer Schnellpost“ und nahm sie 1912 vom Markt.

Seine politische Karriere spiegelt sich in der Mitgliedschaft mehrerer Parteien und dem Versuch, lokale Politik zu betreiben, wider.

Von 1883 bis 1894 kandidierte Nübling drei Mal für den Ulmer Bürgerausschuss und blieb erfolglos. Drei Jahre nach seiner Reichstag-Kandidatur für die „Deutsch-soziale antisemitische Partei in Württemberg“ wechselte Nübling 1896 in den „Bund der Landwirte“ (BdL). Auch hier nutzte Nübling die „Ulmer Schnellpost“ als Parteiorgan. In Folge seiner Mitgliedschaft für den BdL kandidierte Nübling zwei Mal für den Reichstag.

Wahlaufrufen nach zu urteilen fand trotz Parteiwechsel kein Wechsel seiner antisemitischen Grundhaltung statt.

1907 zog Nübling in den württembergischen Landtag ein und blieb Mitglied für 11 Jahre.

Lokal forschte Nübling zur Wirtschaftsgeschichte Ulms im Mittelalter und gelangte dadurch auch überregionale Bekanntheit. Jüdische Mitbürger*innen bezeichnete Nübling als „Krebsschaden“ für die deutsche Wirtschaft.

Zu Zeiten des NS-Regimes liegen uns keine Daten zu Nübling vor.

1951 wurde in Ulm ein Weg nach Nübling benannt. 1988 beantragte die SPD eine Umbenennung des Nüblingwegs. Der Antrag wurde mit der Begründung einer fehlenden NSDAP-Mitgliedschaft Nüblings abgelehnt. Auf der Website der Stadt Ulm verweist Michael Wettengel vom Stadthaus Ulm ebenfalls auf Nüblings antisemitische Haltung.

Jahr der Benennung: 1951

Kriterium der Stadt Ulm für eine Umbenennung:

Propagierung von Antisemitismus

Umbenennung in anderen Städten:

Keine bekannten Beispiele

Quellen

Paul Lincke (1866- 1946) war ein deutscher Komponist. Er war Mitglied und Vorstand der unter Goebbels Schirmherrschaft gegründeten Kameradschaft der dt. Künstler e.V..

Paul Lincke (Bild-Quelle)

Bereits im Frühjahr 1933, kurz nach der Machtübernahme, komponierte Lincke Märsche zur Ehren der NS-Machthaber (z.B. „Unsere braunen Jungen!“, in 1934 zusätzlich noch „Unsere braunen Mädel!“), die er in der Folge auch dirigierte bei Veranstaltungen der NS-Organisation „Kraft durch Freude“.

Lincke erhielt mehrere Ehrungen des NS-Regimes und distanzierte sich nie öffentlich vom Regime. Zudem pflegte er rege Kontakt zu NSDAP-Mitgliedern wie Reichsfilmintendant Hans Hinckel.

Das Jahr der Benennung ist uns nicht bekannt.

Die von Lincke zu Beginn der 1930er komponierten Märsche propagieren NS-Gedankengut.

Umbenennung in anderen Städten:

Keine bekannten Beispiele

Quellen

Das heutige Finanzamt Ulm in der Wagnerstraße ist ein Bau aus der Zeit des Nationalsozialismus. Links vor dem Haupteingang ist bis heute ein mehrere Meter breiter Reichsadler zu sehen.

Die Darstellungsweise mit ausgestreckten Flügeln und Blick nach Links wurde ausschließlich unter dem NS-Regime ab 1935 bis 1945 genutzt und ist eine Ablwandlung des NSDAP Parteiadlers (identisch aber mit Blick nach rechts). In den Klauen des Reichsadlers war zudem ein Eichenkranz mit Hakenkreuz. Diese Version des Reichsadlers wird bis heute als Neonazi-Szenecode auf u.a. Tshirts oder Sticker genutzt. Das verbotene Hakenkreuz wird heute mit nicht verbotenen Symbolen ersetz wie z.B. einer Schwarzen Sonne.

Das Hakenkreuz und der Eichenkranz wurden bei dem Reichsadler am Ulmer Finanzamt scheinbar notdürftig entfernt, ansonsten ist er unverändert.

Da das Finanzamt in diesem Gebäude sitzt, wird dieses nicht von der Stadt Ulm verwaltet, sondern vom Bund.

Quellen

Der Name der heutigen Rühmerteiche in Unterfahlheim leitete sich von der Fischzucht von Dr. Karl Rühmer ab. Rühmer war ab 1930 Mitglied des Stahlhelmbundes und trat 1934 in die NSDAP ein. Ab 1941 bis April 1944 war er zum SS-Sturmbannführer der Reserve. Er war Fischsachverständiger und erwarb im Jahr 1939 die Fischzucht in Unterfahlheim. Diese wurde in der Folge Teil der SS-Versorgungsinfrastruktur.

Rühmer als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen
(Bild-Quelle: US Army Photographers)

Ab Mai 1942 wurde die Fischzucht eine Außenstelle des KZ-Dachaus. Zuerst wurden SS-Strafgefangene aus Dachau als Zwangsarbeitskräfte eingesetzt. Sie wurden damit für Regelbrüche bestraft, z.B. für Diebstahl eines Brotes mit 1 Jahr und 6 Monate Strafkompanie. Im Oktober oder November 1942 floh einer der SS-Strafgefangenen, wurde gefasst und in Anwesenheit der anderen erschossen.

Ab spätestens Juli 1943 bis 1945 wurden auch Gefangene des KZ Dachau, vor allem Zeugen Jehovas dort zur Arbeit gezwungen. Sie waren nahe dem Gelände in umzäunten und bewachten Baracken untergebracht. In der Häftlingskartei der KZ-Gedenkstätte Dachau lassen sich 14 Namen zuordnen, es gibt Aussagen denenzufolge bis zu 30 Gefangene dort arbeiten mussten.

Nachdem zweiten Weltkrieg betrieb Rühmer die Fischzucht weiter bis zu seinem Tod.  In den 60er Jahren kaufte der Landkreis Neu-Ulm das Gebiet und erklärte es zum Naturschutzgebiet. Vor Ort erinnert heute, trotz Anfragen an dem Landkreis, nichts an diese Außenstelle des KZ Dachau:

„2004 beantragte das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg die Überprüfung der Denkmalwürdigkeit des Areals durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. Nach einem Ortstermin wurde der Antrag im Februar 2004 abglehnt, allerdings dem Landkreis Neu-Ulm eine Kennzeichnung des Ortes empfohlen. Dies ist bislang noch nicht geschehen.“

– Sabine Schalm in Der Ort des Terrors Band 2, Seite 521
Kriterien, die für eine Umbenennung sprechen:

Funktionsträger im NS-Regime, Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschheit, Verstrickung in Verbrechen eines Unrechtsstaates und Bereicherung an den Opfern

Umbenennung in anderen Städten:

Keine bekannten Beispiele

Quellen